Im Namen Gottes, des Gnädigen, des BarmherzigenDie aktuellen Vorgänge in der islamischen Welt und die dauerhafte Präsenz zahlreicher Muslime in Westeuropa haben ein zunehmendes Interesse an den Inhalten der islamischen Lehre geweckt. Dabei gilt es, einseitige Betrachtungsweisen zu überwinden, wenn die Grundzüge des Islam vorurteilsfrei erfasst werden wollen. Das arabische Wort „Islam” lässt sich mit „Hingabe, Ergebenheit” wiedergeben . Die davon abgeleitete Form „Salam” bedeutet „Frieden”. Dementsprechend ist „Muslim” derjenige, der sich dem Willen der e i n e n Wirklichkeit – Allah d.h. Gott – mit ganzem Herzen hingibt und dabei inneren wie äußeren Frieden findet.E i n h e i t Das Hauptanliegen des Islam ist das Bekennen der „Einheit Gottes” (arabisch „tauhid”) mit allem,was daraus folgt. Der zentrale Grundsatz lautet :”Keine Gottheit außer Gott”, was bedeutet, daß nichts auf eine Stufe mit Gott gestellt werden kann und Er allein das absolute, von allem unabhängige Sein ist, während alles, was existiert, von Ihm abhängt. Er ist die absolute Realität, die alles Sichtbare und Unsichtbare, Lebendige und Leblose aus dem Nichts erschafft und erhält. Wenngleich die gesamte Schöpfung Seine Weisheit bezeugt, steht er doch über allen sinnlichen Wahrnehmungen und rationalen Konzepten: Gott ist außerhalb aller Geschöpflichkeit, jedoch nicht von ihr getrennt. Er ist dem Menschen näher als dessen eigene Halsschlagader (vgl. Quran 50:16), läßt sich aber niemals auf die menschliche Ebene begrenzen. Durch innere Läuterung und unablässige Bejahung dieser e i n e n Wirklichkeit überwindet der Gläubige den scheinbaren Widerspruch zwischen unerreichbarer Transzendenz und göttlicher Allgegenwart, so daß er schließlich in allen nur noch den Einen bezeugt.P r o p h e t e nDer zweite Teil des islamischen Bekenntnisses, daß Muhammad der Gesandte Gottes ist, hat nicht die ausschließende Bedeutung, die ihm oft beigemessen wird. Die Anerkennung der prophetischen Sendung ist kei´neswegs auf Muhammad(Friede sei mit ihm) beschränkt. Der Quran lehrt, das sich Gott seit Anbeginn der Menschheit immer wieder den verschiedenen Völkern offenbart hat. Dazu erwählte er besonders edle Menschen als Träger der Offenbarung und Verkünder Seines Gesetzes. Die Propheten und Gesandten Gottes sind jedoch ohne Ausnahme Menschen und keine Übermenschen oder gar Götter: Abraham, Noah, Moses, Jesus und Zahlreiche andere Propheten (Friede sei mit ihnen allen) schöpften aus derselben Quelle der Offenbarung, um den Menschen jene Daseinszusammenhänge klarzulegen, die durch wissenschaftliche Erkenntnis nicht vermittelt werden können,. Die Muslime glauben an alle Gesandten Gottes und machen „keinen Unterschied zwischen ihnen” (vgl. Qur`an 2:285). Muhammad ist nur der letzte, der ihre Rei9he abschließt und ihre früheren Botschaften bestätigt.J e n s e i t sDie Existenz der Menschen endet nicht mit seinem Körperlichen Ableben. Der Tod ist ein natürlicher Übergang in ein jenseitiges Dasein. Diesseits und Jenseits stehen in unmittelbarer Verbindung: das Diesseits ist der Acker und das Jenseits die Ernte der Handlungen des Menschen. Nach einem geistigen Zwischenstadium werden ihm seine Taten gemäß ihren Absichten am „Tag des Gerichts” vorgeführt. Niemandem wird dabei auch nur das geringste Unrecht geschehen: „Wer Gutes im Gewicht eines Stäubchens getan, wird es sehen; und wer Böses im Gewicht eines Stäubchens getan, der wird es ebenfalls sehen.” (Sura 99:8) Der Qur`an warnt vor dem Verhaftet sein am irdischen Leben, wo es doch vergänglich und trügerisch (vgl. Qur`an 57:20) und das Jenseits höher und von ewigen Charakter ist (vgl. Qur`an 87:16).M e n s c hGott hat die Schöpfung nicht hervorgebracht, um irgendeinen Nutzen daraus zu ziehen, sondern Er schenkt seinen Geschöpfen durch ihr Dasein die Möglichkeit zur eigenen Entwicklung. Der Mensch gilt im Qur`an als der „Stellvertreter” Gottes auf Erden. Ihm hat Gott von Seinem Geist eingehaucht. Der Mensch ist somit Träger des göttlichen Vertrauenspfandes und wegen seiner Willensfreiheit gegenüber sich und der gesamten Schöpfung verantwortlich. Jeder Mensch hat eine „göttliche Anlage” und einen Hang zum Guten wie auch zum Bösen. Seine Guten Neigungen führen ihn zu geistig-seelischer Reife. Gerät der Mensch aber unter die Herrschaft seiner niederen Triebe, dann handelt er gegen die göttliche Ordnung und seine eigene Entwicklung. Sein Schicksal wird einerseits durch sein Streben, andererseits durch höhere Faktoren bestimmt, auf die er keinen Einfluß hat. Die Grenze zwischen beiden Bereichen aber ist niemandem bekannt. Nur Gott weiß, was die Menschen mit ihren unterschiedlichen Begabungen in ihrem Leben erreichen können und belastet daher keinen über das erfüllbare Maß hinaus. Alle Menschen, ob Mann oder Frau, schwarz oder weiß, arm oder reich haben denselben Stellenwert vor Gott und dem Gesetz. Das Einzige, was sie unterscheidet, ist der Grad ihrer Gottesfurcht und ihre Nähe zum Schöpfern (vgl.Qur`an 49:13).Q u r ` a nNeben einer inneren Anlage das Gute vom Bösen unterscheiden zu können, hat die schöpferische Weisheit dem Menschen Wege gezeigt, diese Grundstimmung zur Vollendung zu bringen: Der Qur`an der dem Propheten Muhammad im Laufe von 23 Jahren schrittweise offenbart wurde, ist Warnung und „Rechtleitung für die Menschen” (vgl. Sure 2:185). Er bestätigt und vollendet alle früheren Heilsbotschaften. Sein Stil in deutlichem Arabisch ist unerreicht, sein Inhalt seit dem Jahre 623 bis zum heutigen Tag unverfälscht überliefert worden. Der Qur`an ist Gotteslehre, Moralkodex und Gesetz in einem. Wo er keine konkreten Aussagen macht, wird er von der „Sunna” , dem vorgelebten Beispiel des Propheten ergänzt.G l a u b e n s p r a x i sG e b e t :Dem fünfmal am Tag zu verrichteten Gebet (arab. „salah”) , das man sowohl allein als auch in der Gemeinschaft verrichten kann, gehen Reinigungen voraus, zu denen in der Regel Wasser verwendet wird. Das Rituelle Gebet besteht aus der Rezitation einzelner Teile des Qur’ans, begleitet von Körperhaltungen wie aufrechte Stellung, Verbeugung und Niederwerfung, die das Glaubensmoment der dienenden Hingabe verkörpern. Das Gebet ist dem Gläubigen kein sinnentleerter Ritus, sondern Konzentration und tiefes inneres Bedürfnis. Der Sinn des Gebets wird vor allem in seiner Schutzfunktion gegen üble Gedanken und Handlungen gesehen (vgl. Sure 29:45). Das rituelle Gebet schließt das freie Gebet nicht aus. Besinnung und Gottgedenken stärken den Geist des Betenden und heben ihn über alle Alltagssorgen hinaus. Er schöpft Kraft, im täglichen Leben maßhalten zu können und keine Übertretungen zu begehen. Obwohl die „Masjid” (d.h. Ort der Niederwerfung) der geeignete Raum für die Gebete ist, brauchen sie nicht unbedingt in der Moschee verrichtet werden, da laut einer prophetischen Überlieferung die ganze Erde als ein Gebetsraum gilt.S o z i a l a b g a b e :An über achtzig Stellen erwähnt der Qur’an die Sozialabgabe bzw. Armensteuer (arab. „zakat”) zusammen mit der Verpflichtung mit dem Gebet. Die Wohlhabenderen Mitglieder der islamischen Gemeinschaft entrichten diese soziale Abgabe an die Bedürftigen. Die Armen und die Bittenden haben ein Anrecht auf das Vermögen der Gemeinschaft, „damit die Reichtümer nicht nur unter denen umlaufen die schon reich sind” (vgl. Qur’an 59:7). Die Sozialabgabe – die andere Spendenformen nicht ausschließt – wird ausführlich in der islamischen Rechtswissenschaft behandelt. „Zakat” und eine Fülle zusätzlicher Bestimmungen sollen die Verantwortung der Menschen füreinander wecken und soziale Gerechtigkeit sichern. Unter anderem dient beispielsweise das Zinsverbot einer ausgleichenden Verteilung des Besitzes.F a s t e n(arab. „saum”) im Monat Ramadhan vorgeschrieben und an anderen Tagen des Jahres als freiwilliger Verzicht ist eine Übung zur Selbstbeherrschung, Willenskraft und inneren Einkehr. Vom Beginn der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang enthält sich der Fastende des Essens, Trinkens und geschlechtlichen Verkehrs. Das Fasten reinigt Körper und Geist. Der Fastende hält sich fern von üblen Worten, Werken und Gedanken. Er sucht seine Zuflucht bei Allah in meditativer Versenkung, Gebet und Selbstreflektion. Das Fasten stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl der muslimischen Gemeinde. Die Wohlhabenden macht das Fasten auf die Situation der Notleidenden aufmerksam und bricht ihren Hochmut und ihren falschen Stolz.P i l g e r f a h r t :Bei der alljährlichen Wallfahrt (arab. „hajj”) versammeln sich Millionen von muslimischen Männern Frauen in Mekka und Umgebung. In verschiedenen rituellen Handlungen folgen sie den Ursprüngen der islamischen Botschaft: Das Umschreiten der von Abraham und Ismail errichteten Kaaba in Mekka, das Verweilen im geschichtsträchtigen Tal von Arafat, die sinnbildliche Steinigung des Satans, das abschließende Opfer verbinden sie in Eindrucksvoller Weise mit der abrahamitischen Tradition des reinen Monotheismus. Die Pilgerfahrt gilt als Symbol der muslimischen Einheit. Die Versammlung von Gläubigen aus aller Welt bietet Gelegenheit, einander kennenzulernen, Probleme gemeinsam zu beraten und die Eintracht und Brüderlichkeit zu stärken.J i h a d :Nach dem qur’anischen Prinzip „Nicht zu unterdrücken und sich nicht unterdrücken zu lassen” übernimmt der Mensch Pflichten sich selbst und seinen Mitmenschen gegenüber. Er darf gegenüber der Ungerechtigkeit eines Menschen oder einer Gruppe nicht neutral bleiben. Sind die Gemeinschaft und die menschlichen Werte bedroht und alle friedlichen Mittel erschöpft, wird „Jihad” (wörtlich : „Bemühung”) zur Pflicht. Unter dem oftmals fälschlich mit „Heiliger Krieg” wiedergegebenen Begriff wird eine reine Verteidigungsbemühung verstanden, die den Angreifer lediglich an seiner Aggression hindern soll. Dabei verlangt der Qur`an von seinen Anhängern auch gegenüber aggressiven Menschen in Gerechtigkeit zu verfahren (vgl. Sure 5:8). Als „großer Jihad” gilt der Kampf des Menschen gegen sein Ego. Durch die Läuterung des Herzens soll das göttliche Element entwickelt werden, damit der Mensch sich vom Gefängnis seiner Begierden befreie.G u t e s g e b i e t e n und Schlechtes verwehren :Im Islam bilden Individuum und Gesellschaft, Religion und Politik, Gesetz und Moral eine Einheit. Der Muslim – ob Mann oder Frau – ist gegenüber sich selbst und seiner Gemeinschaft verantwortlich (vgl. Qur’an 9:71). Das Universale qur’anische Gebot soll den Glauben und die Gemeinschaft vor schädlichen Einflüssen bewahren und die Menschen durch eine einladende Darbietung mit den Inhalten des Islam vertraut machen.M o r a lRiten ohne aufrichtigen Glauben und entsprechende moralische Handlungen bleiben leere Hülsen. Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Güte gegenüber den Eltern und Verwandten, Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Gerechtigkeit gegenüber Freund und Feind sind allgemein moralische Eigenschaften, die für jeden Muslim gelten. Aus Ehrfurcht und Liebe zu Gott schöpft der Gläubige Liebe und Achtung seinen Mitmenschen gegenüber. Moralisches Handeln umfasst Individuum, Familie und Gesellschaft und gilt als grundlegende Voraussetzung für die Verinnerlichung des Glaubens. Treuhänder der überlieferten Glaubenslehre sind die Gelehrten, die vor allem Rechtsgelehrte sind. Der Muslim befolgt die religiösen Gebote aus Überzeugung, für die Vertiefung seines Glaubenslebens ist er allein verantwortlich. Seine Hingabe bedarf keines Mittlers, vielmehr wendet er sich direkt an Gott.